Osterrituale in Lappland 2016
Zurück ins Heute. Schon 2011 hatten wir eine Serie über Ostern in Schweden gepostet (Teil 1, Teil 2, Teil 3).
Als ich am Gründonnerstag gegen Mittag durch Arvidsjaur fuhr, hat mich die heutige österliche Realität erschreckend deutlich eingeholt.
Wie sieht es heute, 2016, mit Osterritualen in Lappland aus?
Eine Karawane aus hoch bepackten Autos mit grossen Anhängern wälzt sich aus allen Richtungen ins schwedische Fjäll. In den Autos sind Mann und Maus, will sagen, alle Familienmitglieder nebst Hund(en) dicht gedrängt zwischen grossen Reisetaschen und allerlei Wintersportausrüstung. Ich habe mir das Treiben eine längere Weile angesehen. Die Kinder tief versunken in ihre Mobiltelefone und Tablets, die Eltern (oder sagen wir - im Hinblick auf die vorherrschenden Familienstrukturen in Schweden - die mitreisenden erwachsenen Menschen) in tiefes Schweigen gehüllt. Der Reisestress steckt allen offensichtlich in den Knochen, denn schliesslich ist Hektik angesagt, um möglichst schnell ins begehrte schwedische Fjäll zu kommen.
Auf den Anhängern die vergötterten Statussymbole der norrländischen Einwohner: Schneemobile. Je neuer und PS-stärker, desto besser. Die Nordschweden sind völlig vernarrt in die nicht gerade umweltfreundlichen Monster. Ein Bekannter berichtete mir vergangene Woche ganz stolz er sei mit seinem besten Freund das Wochenende über 500 Km durch das Gebirge gegondelt und alle Knochen täten im weh (mein Mitgefühl hielt sich durchaus in Grenzen).
„Die moderne Osterliturgie: Schneemobile“
Ostern? Ostern in Nordschweden!
Eigentlich nur folgerichtig. So sieht das Resultat einer seit Jahrzehnten konsequent betriebenen Entkirchlichung einer Gesellschaft aus. Der Lackmustest beweist das. Die Kirchengemeinde der Svenskakyrkan (die ehemalige Staatskirche Schwedens) in Malå, die wegen akuten Mitgliederschwundes mit anderen Pfarreien zusammengelegt wurde, verzeichnet im Schnitt nicht mehr als eine Handvoll Gottesdienstbesucher. Tendenz abnehmend und Altersdurchschnitt zunehmend. Irgendetwas muss ja aber die innere Leere der Menschen füllen. Kein Wunder, dass die Rate an psychischen Erkrankungen hier in Nordschweden in die Höhe schiesst.
Die Lösung des Systems: der Konsum wird es schon richten.
Deswegen werden massenhaft Dinge angeschafft, die kein Mensch wirklich braucht, und die Schneemobile müssen immer vom Feinsten sein und immer mehr Pferdestärken haben. Das hilft aber nicht. Die Menschen fühlen sich in ihrem Inneren doch wie ein leerer Kringel, den sie zu füllen versuchen. Der - in der Regel kreditfinanzierte - Kauf- und Konsumrausch löst das Problem aber nicht (die gerne und schnell verschriebenen Pillen auch nicht).
Manche greifen auch auf altbekannte Bordmittel zurück. In vielen Kofferräumen, neben dem Stapeln Koffern und Taschen, habe ich das hier entdeckt.
Seelentröster vom Systembolaget, die doch nicht helfen...
Kein Wunder, dass der Alkoholverkauf in Schweden über die Kette des Systembolaget unter staatlicher Kontrolle reglementiert wird. Helfen tut das freilich auch nicht.
Ostern 2016 - Quo vadis, Schweden?
Der Februar 2016 in Lappland in Bildern
-> Zur Bilderstrecke „Der Februar 2016 in Lappland in Bildern“